Die WM ist jedes Jahr das Highlight im Hallenradsport. Ein wahnsinnig tolles sportliches Ereignis und gleichzeitig auch eine Art Familientreffen der großen internationalen Radsportfamilie.
Die erste WM-Medaille wurde bereits am Freitagabend vergeben: im 4er Kunstradsport offen. Vertreten wurde Deutschland durch die Mannschaft aus Steinhöring (Katharina Gülich, Ramona Ressel, Julia Dörner, Annamaria Milo). Mit einer schönen Kür legten sie vor. Die nach ihnen startenden Schweizerinnen mussten einmal vom Rad und dadurch höhere Abzüge in Kauf nehmen, so dass sich die Deutsche Mannschaft über die Goldmedaille freuen konnte.
Auch die Paare im 2er Kunstradsport Elite offen waren bereits am Freitag am Start, hier fand die Vorrunde statt. Souverän qualifizierten sich Max Hanselmann / Serafin Schefold (RV Öhringen) sowie Nina Stapf / Patrick Tisch (RV Magstadt / RKV Denkendorf) für das Finale, welches dann am Samstagnachmittag stattfand. Im Finale hatte das schweizer Paar (Fabienne Hammerschmidt und Lukas Burri) 134,78 Punkte vorgelegt, dann waren Nina und Patrick an der Reihe. Konzentriert begannen sie ihre Kür, doch relativ früh musste Nina bei der Kehrlenkersitzdrehung vom Rad. Beeindruckend war, wie souverän sie danach die Kür fortsetzten. Übung für Übung spulten sie ab, auch die Schulterstände, die bei der EM im Frühjahr noch wacklig waren, gelangen ihnen perfekt. Aber dann passierte das Malheur: Beim extrem schwierigen Übergang vom Lenkersitzsteiger zum Stuerrohrsteiger mit Schulterstand hatten die beiden einen Doppelsturz. Aufgrund der bereits nahezu abgelaufenen Zeit konnten sie die zwei restlichen Übungen nicht mehr zeigen. Der Doppelsturz sowie zweimal 100% kosteten viele Punkte, so dass sie hinter das Schweizer Paar zurückfielen. Danach waren Max und Searafin an der Reihe: Ihre erste Übung auf zwei Rädern ist der Mautesprung, aber irgendwie war das nicht Serafins Übung bei dieser WM: wie schon in der Vorrunde konnte er den Sprung nicht stehen. Aber die erfahrenen Sportler ließen sich hierdurch nicht aus der Ruhe bringen: sie präsentierten ihre perfekt einstudierten Übungen, als ob nichts gewesen wäre. Für das Publikum immer wieder beeindruckend sind die Handstände: die Kür auf zwei Rädern endet mit dem Lenkerhandstand aus der Vorbehalte in der Schweizer Variante. Danach erfolgt der Wechsel auf ein Rad, dort dann gleich der nächste Hanstand: Kopfstand mit Lenkerhandstand aus der Stützgrätsche. Eine Höchstschwierigkeit folgte der anderen. Auch die Schulterstände gegen Ende der Kür klappten perfekt. 155,06 Punkte bedeuteten die erfolgreiche Titelverteidigung! Bronze ging an Nina und Patrick.
Im 1er Kunstradsport Elite Frauen begann der Vorkampf bereits am Freitag, wurde dann am Samstag fortgesetzt. Iris Schwarzhaupt (SportKultur Stuttgart) meldete sich nach der verpatzten DM wieder zurück und erreichte als zweite hinter der Deutschen Meisterin und Titelverteidigerin Milena Slupina souverän das Finale. Das Finale fand dann am Samstagabend statt. Die ersten zwei Finalteilnehmerinnen hatten Punktzahlen von 162,94 (Seraina Waibel, SUI) und 176,34 (Adriana Mathis, AUT) vorgelegt. Als vorletzte Starterin ging Milena an den Start. Sie musste zwar einmal vom Rad, zeigte aber ansonsten eine schöne Kür und erzielte die bis dahin höchste Punktzahl von 183,67. Danach ging Iris an den Start. 199,90 Punkte reichte sie ein, die höchste Punktzahl, die jemals im 1er Kunstradsport der Frauen gefahren wurde. Und auch bei den männlichen Kollegen haben nur wenige jemals mehr aufgestellt. Gleich zu Beginn zeigte sie einen perfekten Vorhebehalte schweizer Sattellenkerhandstand in der 8. Gleich danach einen ebenso perfekten Mautesprung. Sie war gut in die Kür gestartet. Eine kleine Unsicherheit bei der Kehrstandsteigerdrehung kostete ein paar Punkte, aber ansonsten gab es nur wenig abzuziehen. Bis zum Übergang Kehrlenkersitzsteiger Standsteiger, hier rutschte sie vom Pedal, stürzte und bekam eine 50%-Abwertung. Konzentriert stieg sie wieder auf das Rad und beendete ihre Kür. Danach folgte eine Bange Zeit des Wartens, letztendlich wurden 185,44 Punkte bestätigt – Iris war Weltmeisterin! Silber ging an Milena.
Am Sonntag war es dann auch endlich für die 2er Kunstradsport Elite Frauen soweit: am Vormittag fand die Vorrunde statt, bei der sich beide Deutsche Paare für das Finale qualifizierten. Mit ihren eingereichten Punkten lagen beide Deutsche Paare deutlich über den Konkurrentinnen aus der Schweiz und Österreich. Als erste gingen die Geschwister Lena und Lisa Bringsken an den Start. Die beiden haben bereits WM-Erfahrung und waren (bis Sonntag) amtierende Vizeweltmeisterinnen. Die beiden begannen ihre Kür auf zwei Rädern, aber schon früh passierte ein Malheur: bei einer Drehung konnten sich die beiden am Schluss nicht greifen und Lisa musste vom Rad. Die restlichen Übungen gelangen dafür aber umso besser. Die kräftezehrenden Belastungsübungen auf einem Rad präsentierten sie scheinbar mühelos. 135,24 Punkte und damit vorläufig Platz eins. Danach gingen die WM-Neulinge Sophie Nattmann und Caroline Wurth (RSV Gutach) an den Start. Auch sie begannen auf zwei Rädern und von Nervosität bei ihrem ersten WM-Auftritt war nichts zu spüren. Übung um Übung präsentierten sie mit nur geringen Abzügen. Auch auf einem Rad lief es zunächst reibungslos, bis zum Lenkersitzsteiger rückwärts freihändig mit Schulterstand: hier kam die Oberfrau Caroline in Rücklage und konnte sich nicht mehr auf den Schultern ihrer Partnerin halten. Kurzes Entsetzen. Dann stiegen die beiden wieder auf, doch beim Übergang Lenkersitzsteiger Steuerrohrsteiger mit Schultersitz war Sophie zu vorsichtig. Ein Doppelsturz und 100% für die nachfolgenden Übungen. Aus der Traum vom WM-Titel, zumindest für 2018. Aber eine Silbermedaille zu gewinnen, ist auch etwas Tolles.
Nach dem Finale der 2er Frauen fand das Finale im 1er Kunstradsport Elite Männer statt. Souverän hatten sich Moritz Herbst (RSV Wendlingen) und der Titelverteidiger und amtierende Europameister Lukas Kohl hierfür qualifiziert. Erster Starter im Finale war Lukas Burri (SUI), der im 2er offen mit seiner Partnerin bereits die Silbermedaille gewonnen hatte. Er zeigte eine schöne Kür und erreichte 170,12 Punkte. Danach ging der Dritte der letzten Weltmeisterschaften, Chin To Wong (HKG) an den Start. Mit geringen Abzügen zeigte er seine Übungen und wurde mit 177,96 Punkten belohnt. Als erster der beiden Deutschen ging Moritz an den Start. 204,90 hatte er eingereicht. Er begann seine Kür mit einem schönen Lenkerhandstand aus der Vorhebehalte in der 8, danach folgte der Sprung, doch hier sprang er etwas ungleich ab und konnte leider nicht im Lenkerstand stehen bleiben. Lenkerdrehung und Sattellenkerhandstand gelangen dafür richtig gut. Und auch die Rückwärtsserie lief. Beim 3fachen Drehsprung, den er eigentlich auch mit mehr Umdrehungen beherrscht, passierte es dann: nach 2,5 Umdrehungen stand er auf dem Boden. Um hohe Prozentabzüge zu vermeiden, wiederholte er den Drehsprung und dieses Mal gelang er. Den Rest der Kür zeigte er mit nur geringen Abwertungen, einzig den Kehrlenkersitzsteiger rückwärts 8 fuhr er – aufgrund der Zeitnot durch das Wiederholen des Drehsprungs – nur zur Hälfte und nahm hier die 50% Abzug in Kauf. 184,74 Punkte standen am Schluss auf der Anzeigentafel. Sicherlich nicht ganz das, was Moritz erhofft hatte, aber immerhin war die Silbermedaille sicher. Letzter Starter war der Titelverteidiger Lukas Kohl. Gewohnt souverän zeigte er Übung für Übung. Nervosität scheint ein Fremdwort für ihn zu sein. Doch auch er musste einmal unfreiwillig vom Rad. Dennoch erreichte er fantastische 200,36 Punkte und sicherte sich die dritte Goldmedaille nach 2016 und 2017. Silber ging an Moritz.
Für die Radballer begann die WM am Mittwoch mit einem Schock: Die Radballer reisten spät an und konnten deswegen ihr Material nicht mehr in die Halle bringen. Während des Abendessens wurde ihr Bus aufgebrochen und alle Räder geklaut! Ersatzräder mussten zuerst noch zusammengebaut und nach Liège gebracht werden. Neue Räder und zu wenig Training – anfangs lief das Zusammenspiel noch nicht so gut. Doch nach und nach kamen Bernd und Gerhard Mlady besser ins Turnier. Nach Platz zwei in der Vorrunde besiegten sie im Halbfinale die Schweizer Mannschaft. In der ersten Hälfte des Finales dominierte klar die österreichische Mannschaft. Zur Pause stand es 5 : 1 für Österreich. Aber die deutsche Mannschaft gab nicht auf: Tor auf Tor folgte, von Deutschland und Österreich. Zum Schluss stand es 8 : 6 für Österreich. Ein tolles Finalspiel mit dem verdienten Sieger Österreich.
Eine tolle WM mit
ging nach drei Tagen zu Ende!
Daniela Klingler