"Es lief nicht so gut", diktierte Laura Süßemilch nach einem anstrengenden Wochenende mit überraschenden Wendungen zum sportlichen Teil in den Niederlanden ins Gerät. Bei der berüchtigten Wielerweekend Munstergeleen-Rundfahrt mit einem welligen Prolog über nur 2,1 Kilometer, einem Kriterium am Samstag direkt im Aschluss quasi über 30 Kilometer mit beachtlichen 600 Höhenmeter und einer Etappe am Sonntag über 57,2 Kilometer und 1250 Höhenmetern, gespickt mit einer 17-prozentigen Wand, dem steilen Wanenberg, wurde den Mädchen alles abverlangt. Süßemilch steckten noch die Europameisterschaften und Weltmeisterschaften auf der Bahn in den Knochen - zudem das gesamt Saisonprogramm, was der 18-Jährigen ein bißchen zu schaffen machte. Die Nationalfahrerin aus Oberschwaben sowie das gesamte,angereiste BDR-Juniorinnenteam nutzten die Rundfahrt als direkte Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft Mitte September in den USA und nochmaligen Check des Kaders. "Das Kriterium am Samstag war aber entsprechend ganz gut mit Platz 22", relativierte die schnelle Athletin zu recht. "Das Sonntagrennen über die 57 Kilometer war richtig,richtig hart. Die Favoritin und spätere Siegerin zeigte allerdings eine superstarke Form und fuhr alleine raus und weg, das war schon eine starke Leistung", resümiert Süßemilch bewundernd. Liane Lippert haute beim Prolog am Samstag einen sehr guten elften Platz heraus, obwohl sie gesundheitlich leicht angeschlagen war. Auch auf der ersten Etappe am Samstag zeigte sie sich bis zur 18.Runde (von 25) an der Spitze und konnte das Rennen in der zweiten Gruppe beenden.
Noch bevor sie das Ergebnis vom Sonntag einsehen konnten fuhren die drei Mädels aus Süddeutschland zum Bahnhof und damit begann die zweite Geschichte im Rahmen des Renneinsatzes.
Die ICE-Fahrt endete für das Trio überraschend abrupt im geschlossenen und dunklen Bahnhof Siegburg, nachdem eine Zugbegleiterin die drei jungen Mädels, davon zwei noch minderjährig, an der schon abendlichen Weiterfahrt hinderte, indem sie ihnen klar machte, sie dürften mit ihren Radkoffern nicht im ICE fahren. Auch ein Telefonat mit dem Vater eines der Mädchen mit einem anderen Zugbegleiter und dem Hinweis, dass alles zuvor an drei verschiedenen Schaltern in Baden-Württemberg mit einem OK der Schalterbeamten abgeklärt gewesen sei, hinderte sie nicht daran den Rad-Koffer eines Mädchens in Richtung Tür zu schieben. Logischerweise blieben alle drei Mädchen zusammen und so fanden sie sich abends alleine (aber mit gültiger Fahrkarte für den inzwischen abgefahrenden ICE) im Bahnhof Siegburg wieder. Auch die Bemerkung der Mädels noch im Zug, dass bei den Kartenkontrollen auf der Hinfahrt alles ohne Beanstandung verlief und ihnen sogar von Schaffnern beim Transport der Radkoffer geholfen wurde, war zuvor erfolglos gebieben. In ihrer Not baten die Athletinnen, die ja auch noch die anstrengende Etappenfahrt in den Beinen spürten, einen Polizisten um Hilfe. Dieser hatte beim nächsten Zug zwar keinen Erfolg mit der Bitte, die drei Sportlerinnen doch mit in den Süden zu nehmen, aber nach insgesamt zwei Stunden unfreiwilligen Aufenthalt konnten sie - glücklich über diese Lösung und froh über den "Freund und Helfer" in den nächsten (in Frage kommenden) Zug einsteigen und nun bis nach Mannheim fahren. Dort ging es für die beiden Württembergerinnen schließlich nach Ulm, wo sie vom Friedrichshafener Vater abgeholt wurden und am Ende - Stunden nach der geplanten Ankunft in den jeweiligen Heimatbahnhöfen - schließlich um zwei und um drei Uhr zu Hause ankamen. Keine der Sportlerinnen möchte das logischerweise nochmal einmal erleben.
Foto: Lucas Janssen Sportography
Text: uhu